Seit langer Zeit hängt bei uns im Vorhaus ein sogenanntes Mustertuch. Es ist ein Tuch mit vielen verschiedenen Stickereien und ist recht farbenfroh. Als ich (Pia) in diesen Sommerferien längere Zeit in Köflach war und vermutlich hundertmal oder öfter an dem sogenannten Mustertuch vorbeigegangen war, hab ich mir einmal die Zeit genommen und es genauer angeschaut.
Was ist ein Mustertuch?
Vielleicht hast auch Du in der Schulzeit irgendwann ein Mustertuch angelegt. Es ist oft ein kleines quadratisches Tuch, an dem unterschiedliche Muster und Stickereien getestet werden.
Dieses Mustertuch dürfte schon etwas älter sein, da es mit dem Jahr 1890 datiert ist. Am oberen Teil des Tuches sind unterschiedliche Buchstaben Schriften also in unterschiedlichen Formen mit vielen unterschiedlichen Stickarten zu finden.
Wer hat dieses Mustertuch gemacht?
Ich konnte gleich erkennen, dass hier jemand sehr viel Zeit, Energie, Liebe und Hingabe hat reingesteckt. Mich hat das ganze etwas neugierig gemacht. Hannerl und Luis wissen nicht genau wer das Tuch gemacht hat. Es ist auch möglich, dass es aus dem Kloster von Maria Lankowitz stammt.
Also habe ich etwas im Internet gesucht und bin auf eine richtige Expertin gestoßen! Frau Sabine Taterra-Gundacker aus Berlin. Auf ihrer Website kann viel über Stickmustertücher gelesen werden. Nachdem ich Frau Taterra-Gundacker kontaktiert hab konnte ich etwas später mit ihr ein wunderbar spannendes Telefonat führen. Dabei habe ich viele Informationen erhalten, die ich gerne hier teilen möchte.
Wissen zu alten Mustertuch Stickereien
Oft wurden solche Mustertücher zum Erlernen von Techniken der Stickerei erzeugt. Auch in der Schule wurden früher ähnliche aber weniger aufwendige Mustertücher von jungen Mädchen angefertigt.
Bei diesem Mustertuch ist hervorzuheben, dass es ganz außergewöhnlich viele unterschiedliche Schriften hat. Zudem wurden viele unterschiedliche Farben bei der Wolle ausgewählt, was darauf deuten lässt, dass das Mädchen oder die junge Frau, die es erzeugt hat, einiges an Geld in dieses Mustertuch investiert hat. Gedruckte Muster konnte man kaufen, wenn sie nicht nur schwarz weiß sein sollten, war es auch möglich per Hand kolorierte Mustervorlagen zu kaufen, jedoch der Preis war damals sehr hoch.
Ich habe auch erfahren, dass solche langen eher schmalen Tücher mit vielen Buchstaben und Tier bzw. Pflanzen Motiven oft aus der Biedermeierzeit auch als Sachsentücher bezeichnet worden sind.
Tuch als Schaustück
Mädchen und Frauen haben bei der Anfertigung dieser Tücher ihr handwerkliches Können unter Beweis gestellt. Oft wurden diese Tücher dann im Wohnzimmer als „Schaustück“ präsentiert und haben gezeigt, dass die Frau guten Geschmack hat, vielleicht besonders kreativ ist oder viel Geduld hat.
Im unteren Drittel des Tuches finden sich Motive aus der Biedermeier Zeit (1815-1848). Glaube-Liebe-Hoffnung – die christlichen Tugenden werden oft mit den Symbolen Kreuz = Glaube, Herz = Liebe und Hoffnung = Anker dargestellt.
A und S könnten die Initialen des Mädchens oder der jungen Frau gewesen sein.
Es wurden sehr viele verschiedene Farben bei der Wolle verwendet, durch die Farbschattierungen wirklichen die Motive fast plastisch. Oft wurde bei solchen Tüchern auch Seide, die jedoch noch teurer wäre verwendet.
Ein Unikat
Die Stickerin hat möglicherweise aus unterschiedlichen Vorlagen dieses Mustertuch selbst zusammengestellt. Dabei hat sie definitiv viel Geduld und Muße gehabt um dieses umfangreiche Tuch fertig zu stellen.
Am unteren Rand des Tuches findet sich eine wunderschöne „Vergissmeinnicht-Borte“. Hier hat jemand mit unendlich viel Ausdauer, vermutlich mit Hilfe von Vorlagen die zu dieser Zeit noch per Hand koloriert wurden ein Unikat hergestellt, was auch heute meine größte Wertschätzung erhält.
Vielleicht hast ja auch Du ein Mustertuch zu Hause und möchtest es uns zeigen? Hast Du in der Schulzeit noch ein Mustertuch (weniger umfangreich) gemacht? Richtiges Sticken, sodass die Fäden auch auf der Rückseite ordentlich sind ist eine richtige Kunst. Deshalb bin ich der Meinung, dass diese Art der Handarbeit als Art als Kunst bezeichnet werden darf und mehr Beachtung verdient.
Welche Geschichte würde das Tuch erzählen?
Ich freu mich schon über Dein Kommentar, Anmerkung und vielleicht weitere Informationen – vielleicht gibt es in unserer Region ja mehr von diesen wunderschönen Tüchern. Was wäre wohl, wenn dieses Tuch seine Geschichte selbst erzählen könnte?
Stickerei von Hannerl
Aber auch Hannerl hat früher viel Zeit mit Sticken verbracht und hat z.B. das Bauern Jahr und Vorhänge gestickt – alles bei uns im Stiegenhaus zu bewundern!
Es ist unglaublich.
Ein farbenfrohes Tuch. Wie oft seit ihr alle daran vorbeigegangen, ohne ihm besondere Beachtung zu schenken.. Was wäre wohl, wenn dieses Tuch sprechen könnte. ????
Vielen Dank Christa, ja! Es ist wirklich unglaublich! Oft sind es die Dinge die man täglich vor Augen hat, die einen wenn man es aus einem anderen Blick heraus betrachtet wirklich zum WUNDERN bringen. So viel Geschichte.